26. Juni 2016

Standards, Zertifizierungen und das alles - Teil 1 - RFC 2919 - List-Id-Header

Bereits vor fünf Jahren habe ich mich mit diesem Thema beschäftigt.
Man kann vielleicht argumentieren, dass zu dieser Zeit Mails, Newsletters und Mailinglisten erst seit etwa fünf Jahren allgemein verwendet wurden und das Wissen noch nicht so verbreitet war. Sollte das so sein, dann gilt das heute, nach der doppelten Zeitspanne, nicht mehr. Bedauerlicherweise wird auf hohem Niveau weiterhin mindestens genauso viel Blödsinn verteilt.
Bitte den ganze Artikel lesen! Die Geschichte wird entwickelt, mithin kommt das dicke Ende am Schluss. Nicht, dass der Teil davor nicht selbst schon "dick" genug wäre...


Auch wenn Sascha Lobo nicht unbedingt Themen und Fakten in die Welt trägt, die auch einem in der IT-Branche seit Jahren tätigen Menschen neu wären, so tut er das zumindest auf eine unterhaltsame und engagierte Weise - nicht, dass wir uns falsch verstehen: Das sinnvolle Publikum sind ja auch gerade die Nicht-ITler und Entscheidungsträger!
Also habe ich mir seine Kolumne letztens als Newsletter bestellt.
Wie man lesen kann, verwende ich seit Jahren den "List-Id"-Header, um Mailinglisten und Newsletters in passende lokale Mail-Folder ("Folder") einzusortieren. Wenn ich auch in meinem Mail-Sortier-System einige Newsletter fixen muss (meint: Anhand von mehr oder weniger stabilen Erkennungskriterien für den jeweiligen Newsletter einen geeigneten List-Id-Header lokal zur Mail hinzu füge), so ging ich davon aus, dass der redaktionelle Host der Kolumne von Sascha Lobo und insbesondere der gegebenenfalls beauftragte Dienstleister schon korrekte Newsletter versenden würde - siehe oben: inzwischen wird so etwas deutlich länger als damals verwendet und ein entsprechender Dienstleister wäre ja auf so etwas spezialisiert; sollte man meinen.
Weit gefehlt!
Wenn man den RFC 2919 nicht gelesen hat, kann man ohne weiteres einen "eigenen" Header für die gewünschten Aufgaben verwenden. So etwas wie "<Firmenkürzel>-ListId: <gewünschte ID>". Wenn man aber einen Header ohne geeigneten Präfix verwendet, dann sollte man kontrollieren, ob ein Header mit diesem Namen bereits spezifiziert ist.
Ist das der Fall, sollte man sich den/die zugehörigen RFC(s) durchlesen und den Header entsprechend realisieren. Existiert der Header noch nicht, kann man ihn nach eigenem Gusto gestalten. Sinnvoll wäre in diesem Fall aber, den Header und seine Herleitung seinerseits in einem RFC zu beschreiben und diesen an den RFC-Editor zu geben.
Der Sascha-Lobo-Newsletter, der vom Dienstleister verschickt wird, enthält einen List-Id-Header in der Form "List-Id: <idstring>", zum Beispiel "List-Id: 1--1-io6u48iw-1abt".
Noch dazu sagt der RFC 2919, dass die Id konstant bleiben sollte, damit der Newsletter als der spezifische erkannt wird. Der Dienstleister generiert aber praktisch für jede versendete Instanz des Newsletters, also immer, wenn Sascha Lobo einen neuen Kolumnen-Beitrag geschrieben hat, eine andere Id, eine Kampagnen-Id. Booom! Newsletter-Erkennung kaputt!
Eine zulässige Form des List-Id-Headers wäre "List-Id: <1--1-io6u48iw-1abt.062016.localhost>". Warum das so gestaltet ist, kann man im RFC nachlesen.

Bis hierher zusammengefasst: Weder ist die Id in einer sinnvollen Art konstant, sodass ein Mailreader, ein Plugin für diesen oder analoges für MDAs zusammengehörige Newsletter in den selben Folder sortieren könnte, noch entspricht der List-Id-Header einer Form, die entsprechend dem RFC automatisch verarbeitet werden könnte.

So weit so schlecht. Aber da ist ja noch die Sache der Zertifizierung...

Es gibt eine Menge Newsletter Versender. Und es gibt eine Menge Newsletter, die keinen - was grundsätzlich OK ist, weil in diesem Fall nichts kaputt gemacht wird - oder ebenfalls einen kaputten List-Id-Header enthalten. Wenn aber Newsletter wie der obige noch dazu durch den ECO-Ableger Certified Senders Alliance (CSA) zertifiziert sind und die Zertifizierungsdokumente den List-Id-Header entsprechend RFC 2919 explizit fordern (Version 1.09 vom 19. März 2014, Punkt 2 Required Admission Criteria, Absatz "w"), dann bekomme ich irgendwie einen Hass auf Institutionen wie den ECO und die CSA. Erst recht, wenn der Dienstleister mündlich erklärt, dass er den List-Id-Header nie anders implementiert hatte (wie also konnte der Newsletter jemals zertifiziert werden!?).
Nebenbei bemerkt: Weder reagiert die CSA inzwischen mehr, wenn man Newsletter-Versender meldet, die eine Adresse ohne Legitimierung verwenden, noch reagiert die CSA auf Hinweise auf Newsletter-Versender, die deren "Siegel" verwenden, ohne die CSA-eigenen Anforderungen zu erfüllen.
Ergo: Die CSA ist zum in die Tonne treten. Vollkommen überflüssige Institution.

Der wesentliche Punkt ist, dass hier ein Werkzeug (List-Id-Header) kaputt gemacht wird, dass gerade dem durchschnittlichen Mail-User das Leben mit Newsletters und Mailinglisten erleichtert. Und das nur, weil Zertifizierer ihre eigenen Vorgaben nicht kontrollieren (ECO, CSA) und spezialisierte Dienstleister (zum Beispiel jener für die Sascha-Lobo-Kolumne) nicht in der Lage sind, relevante RFCs überhaupt zu lesen, geschweige denn korrekt umzusetzen.
Technisch argumentiert: Es gibt die RFCs, die faktisch die Internet-Standards dokumentieren. Diese tragen keine Prioritäten, die einige wichtiger machen als andere oder einige optional machen. Würde ein Betriebssystem die RFCs zu TCP/UDP und IPv4 und IPv6 (die Internet-Protokolle) so umsetzen, wie manche Newsletter-Dienstleister zum Beispiel den RFC 2919 umsetzen, dann könnte zumindest dieses Betriebssystem mit kaum einem anderem System im Internet kommunizieren.

tl; dr: E-Mail ist tot! Ja, weil diejenigen E-Mail versauen, die von E-Mail leben; und das augenscheinlich zu einem Gutteil deshalb, weil sie - in diesem Aspekt - unfähige Leute an verantwortlichen Stellen beschäftigen...
Nein, natürlich ist E-Mail nicht tot. Aber es gibt so manchen Anbieter, der den Usern die Verwendung von E-Mail abspenstig macht und es gibt viele Anbieter, die nur einen Bruchteil der Möglichkeiten des Mediums E-Mail verwenden...

PS: Es ist wirklich frustrierend, wenn die "Newsletterverwaltung", die im Reply-To-Header des Newsletter-Anmeldung spezifiziert und beim Owner angesiedelt ist, auf Mails an diese Adresse nicht reagiert und man vom Dienstleister beschimpft und blockiert wird...
PPS: ... Und es ist frustrierend, dass bei so gut wie keinem Newsletter der beschreibende Teil des List-Id-Headers - zwischen Header und der ID in den spitzen Klammern - gesetzt ist...

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